Massagen Gastein - Gerti Wurzer

Pressebericht

Der Bericht wurde im Zeitraum Juli - August 2001 in der Frauenzeitschrift "WELT DER FRAU" veröffentlicht.

GERTI GIBT NICHT AUF!

Ihr Augenlicht hat Gerti Wurzer zwar verloren, aber mit einem speziellen Training, einem persönlichen Computer und viel Mut hat sie die Welt ein zweites mal erobert.

Ein Bericht von Kirsten Commenda

wenn gerti wurzer ihren computer einschaltet, bleibt der monitor schwarz. aus den lautsprechern ertönt eine männliche stimme: "arbeitsplatz; outlock; posteingang; kein objekt ausgewählt." die wörter sind abgehackt, haben keinen anfang und kein ende. "man kann sich die stimme aussuchen, vom großvater über die großmutter bis zum kind", erklärt gerti wurzer. "meine ist ziemlich neutral. die meisten leute finden die stimme furchtbar, aber man gewöhnt sich daran." aber nicht nur der computer spricht mit ihr, sondern auch die waage und die uhr.

die kleine wohnung der 41-jährigen liegt im skiort bad hofgastein. am esstisch steht ein ausladender strauß mit leuchtend roten und weißen blüten. zu den bunten bildern an den wänden, sagt gerti wurzer, hat sie keinen bezug mehr. die hängen noch von früher da. aus dem goldenen messingschirmständer ragt der blindenstock. die schlanke frau mit der gepflegten kleidung und der perfekt sitzenden frisur bewegt sich so sicher durch die räume,dass man gar nicht auf die idee kommen würde, dass sie blind ist. manchmal macht sie die augen weit auf, als würde sie einen ansehen. meist aber sind die augen hinter den zarten brillengläsern halb geschlossen. die pupillen sind braun und milchig.

in ihrer blitzsauberen küche ist es für gerti wurzer kein problem, selbst zu kochen. mit selbstverständlichen handbewegungen stellt sie wasser zu, schneidet zuccini, tomaten und mozarella, horcht konzentriert, ob das wasser schon kocht, und legt dann die spaghetti in den topf. hilfe möchte sie dabei keine. "für mich ist es einfacher, wenn ich alles alleine mache. denn dann weiß ich, wo ich den kochlöffel hingelegt habe, und finde ihn nachher auch wieder!"

misslungene operation

nach dem essen geht sie auf den balkon, um zu rauchen. sie steht am geländer und es wirkt, als würde die in die ferne blicken. "am anfang habe ich mir die zigarette oft in der mitte angezündet" erinnert sie sich, "heute habe ich schon ein gutes gefühl für entfernungen." während sie mit der einen hand die asche abschüttelt, tastet sie mit der anderen den rand des aschenbechers ab. kein stäubchen fällt daneben.

schlecht gesehen hat die gelernte masseurin schon immer, aber das war für sie normal. dann wurde es jedoch immer schlimmer und eine operation schien der einzige ausweg zu sein, um das augenlicht zu behalten. im jänner 1998 begibt sich gerti wurzer in eine spezialklinik nach köln, um sich am auge operieren zu lassen. seither sieht die nur noch weißen nebel. ganz selten, in der früh, wenn das auge vollkommen ausgeruht ist und sie sich eine zigarette anzündet, glaubt sie, einen schwachen schein wahrzunehmen. "aber mit solchen wahrnehmungen muss man vorsichtig sein. am anfang habe ich oft gedacht,ich sehe die farbe meiner kleidung. dabei habe ich sie nur vor meinem inneren auge gesehen, weil ich ja wusste, was ich anhatt."

die ersten drei monate nach der operation versucht gerti wurzer, ihre massagepraxis weiterzuführen. "ich habe mich immer an diesen satz des professors in köln geklammert, dass es noch besser werden könnte. aber irgendwann ist mir klar geworden, dass ich so nicht mehr weiterleben kann." der sachbearbeiter bei der sozialversicherung fragt sie, warum sie nicht einfach in pension gehe. damals ist sie achtunddreißig . "da habe ich zu ihm gesagt: machen sie die augen zu, setzen sie sich in einen sessel, und warten sie, bis sie sterben. so wütend war ich." sie beginnt bewusst, sich zu organisieren, in erfahrung zu bringen, was sie lernen könne und wo.

alles neu lernen

schließlich landet gerti wurzer bei der "rehabilitation und integration späterblindeter und sehbehinderter" (RISS) in linz. dort arbeiten speziell ausgebildete trainer mit blinden und schwer sehbehinderten, um ihnen den weg in ein selbstständiges leben zu zeigen, ein leben. in dem sie nicht ständig auf fremde hilfe angewiesen ist. waltraud strohmaier etwa ist trainerin für "lebenspraktische fertigkeiten" (lpf). "sie müssen sich vorstellen", erläutert sie, "sie sollen um eine bestimmte uhrzeit aufstehen und müssen sich den wecker stellen. den können sie aber nicht ablesen. dann müssen sie frühstück machen, kaffee kochen, wasser abmessen. sie müssen sich frisieren,schminken, ohne zu sehen. sich anziehen. woher wollen sie wissen , dass der pullover zur hose passt? oder dass beide socken die gleiche farbe haben? kochen, essen, die wohnung sauber halten...das alles sind sehr schwierige dinge, wenn man nichts sehen kann. das kann man nur über ein spezielles training erlernen."

nur wenige hürden

mit dem training begann für gerti wurzer der trauer- und verabschiedungsprozess. "man muss im RISS nicht nur schreiben, lesen und gehen lernen, sondern auch, sich von seinem alten leben zu verabschieden und das neue anzunehmen", erinnert sie sich. "dann kann man einen fuß nach dem anderen zurück in die freiheit setzen."

"ich kann eigentlich alles machen, außer auto fahren", meint auch gerti wurzer, "nur mache ich eben alles auf meine eigene art und weise." sogar zugfahren ist inzwischen kein problem mehr - auch das hat sie mit ihrem mobilitätstrainer geübt. fünf bis zehn minuten vor der planabfahrt sucht sie den richtigen bahnsteig und tastet sich mit dem stock bis zur bahnsteigkante vor. dann geht sie weiter zwei stocklängen zurück und wartet , bis der zug einfährt. wenn die bremsen quietschen, horcht sie, wo die leute aussteigen, und tastet sich dann am waggon entlang bis zur tür. nur beim aussteigen lässt sie sich vom schaffner helfen, damit sie nicht die tür auf der falschen seite öffnet.

während ihrer zeit im RISS hat gerti wurzer beschlossen,sich beruflich neu zu orientieren und eine ausbildung zur "lebens- und sozialberaterin" zu beginnen.

die skripten für ihre ausbildung liest ihr der computer vor.auch ihre post scannt gerti wurzer einfach ein und lässt sie sich von der computerstimme vorlesen - so braucht sie keine fremde hilfe. "schwierig wird´s bei rechnungen und unmöglich bei kontoauszügen", erzählt sie, "da hat mir der computer schon weismachen wollen, dass ich ein paar millionen auf dem konto habe!" bei schwierigen textstellen benutzt sie die braille-zeile, eine im unteren bereich der tastatur angebrachte leiste mit 80 zeichen. jedes zeichen entspricht einer "braille-zelle" und besteht aus sechs winzigen noppen, die sich heben und senken können, und so die punkschriftzeichen darstellen.

blindsein ist spannend

durch die blindheit,meint gerti wurzer, bekomme man neue ressourcen. ressourcen, die ein sehender nie haben wird. "ich kann zum beispiel auf der haut spüren, ob etwas aus metall oder holz besteht, ohne es zu berühren. ich spüre, wo das wartehäuschen ist, wenn ich zur busstation gehe." manchmal schmerzt es sie noch immer, dinge nicht sehen zu können, etwa wenn die sonne den gamskarkogel im gasteiner tal so schön bescheint, dass der schnee die augen blendet. dennoch ist gerti wurzer überzeugt: "blindheit erleben zu dürfen ist eine spannende erfahrung."

manche hobbies hat sie aufgeben müssen - etwa das schifahren und das schwimmen. neue sind dazu gekommen. heute geht gerti wurzer langlaufen und bemalt seidentücher in crashtechnik. demnächst möchte sie reiten ausprobieren. und wenn sie mit ihrer ausbildung fertig ist, wird sie einen tandem-fallschirmsprung wagen. gerti wurzer lacht. "das ist vielleicht sogar weniger schlimm, wenn man nichts sieht!"

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